Montag, 23. Februar 2015

Schadenersatz aufgrund einer vergaberechtswidrigen Aufhebung

Ein Vergabeverfahren muss nicht immer mit einem Zuschlag enden, sondern kann auch mit einer Aufhebung durch den Auftraggeber beendet werden. Ein stillschweigendes Auslaufen des Vergabeverfahrens ohne Zuschlag oder Aufhebung ist nicht erlaubt. Grundsätzlich endet ein Vergabeverfahren mit einem Zuschlag oder einer Aufhebung. Die Bewerber oder Bieter sind von der Aufhebung der Vergabeverfahren unter Bekanntgabe der Gründe unverzüglich zu benachrichtigen.

§ 17 Abs. 2 VOB/A, § 17 EG Abs. 2 Nr. 1 VOB/A:
Die Bewerber und Bieter sind von der Aufhebung der Ausschreibung unter Angabe der Gründe, gegebenenfalls über die Absicht, ein neues Vergabeverfahren einzuleiten, unverzüglich in Textform zu unterrichten.

§ 17 Abs. 2 VOL/A, § 20 EG Abs. 2 VOL/A:
Die Bewerber oder Bieter sind von der Aufhebung der Vergabeverfahren unter Bekanntgabe der Gründe unverzüglich zu benachrichtigen.

Um ein Vergabeverfahren durch eine Aufhebung rechtmäßig zu beenden, muss ein Grund gemäß § 17 Abs. 1 VOL/A, § 20 EG Abs. 1 VOL/A, § 17 Abs. 1 VOB/A, § 17 EG Abs. 1 VOB/A vorliegen.

§ 17 Abs. 1 VOL/A, § 20 EG Abs. 1 VOL/A:
Die Vergabeverfahren können ganz oder bei Vergabe nach Losen auch teilweise aufgehoben werden, wenn
a) kein Angebot eingegangen ist, das den Bewerbungsbedingungen entspricht,
b) sich die Grundlagen der Vergabeverfahren wesentlich geändert haben,
c) sie kein wirtschaftliches Ergebnis gehabt haben,
d) andere schwerwiegende Gründe bestehen.

§ 17 Abs. 1 VOB/A, § 17 EG Abs. 1 VOB/A:
Die Ausschreibung kann aufgehoben werden, wenn
1. kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht,
2. die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen,
3. andere schwer wiegende Gründe bestehen.

Grundsätzlich steht dem Auftraggeber ein Entscheidungsermessen zu, ob er die Beschaffung noch benötigt und fortführen möchte.

Innerhalb eines Vergabeverfahrens besteht besteht in der Regel für den Auftraggeber keine Pflicht zur Beschaffung und damit ein Kontrahierungszwang (-> VK Bund, Beschluss vom 29.09.2010, VK 1 - 91 / 10, BGH, Urteil vom 05.11.2002, X ZR 232 / 00). Der Auftraggeber kann somit auch ohne Vorliegen eines Grundes gemäß § 17 Abs. 1 VOL/A, § 20 EG Abs. 1 VOL/A, § 17 Abs. 1 VOB/A, § 17 EG Abs. 1 VOB/A die Ausschreibung aufheben. Eine Aufhebung ohne Vorliegen eines in der entsprechenden Vergabeordnung genannten Grundes kann aber zu einem Schadenersatzanspruch führen.

Bei den Schadenersatzansprüchen unterscheidet man zwischen dem Schadenersatzanspruch auf ein positives Interesse und dem Schadenersatzanspruch auf ein negatives Interesse. Der Schadenersatzanspruch auf ein positives Interesse umfasst gemäß § 252 BGB den entgangenen Gewinn und gemäß § 249 Abs. 1 BGB die allgemeinen Geschäftskosten. Der Schadenersatzanspruch auf ein negatives Interesse umfasst gemäß § 249 Abs. 1 BGB die allgemeinen Geschäftskosten.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 18. Juni 2014 – 1 U 4/13: "Wird eine Ausschreibung wegen fehlender Vergabereife aufgehoben, und der Auftrag später anderweitig vergeben, steht dem Unternehmen, das mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Zuschlag erhalten hätte, Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses zu."

OLG München, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 1 U 498/13: "Zusammengefasst ist festzustellen, dass die prozentuale Differenz von ca. 17 % einen unangemessenen Preis noch nicht nahe liegt und weitere durchgreifende Gründe nicht ersichtlich sind, die die Einstufung als ganz beträchtlichen Abstand zwischen Schätzung und Angebot rechtfertigen könnten, so dass die Aufhebungsentscheidung der Beklagten rechtswidrig war."

BGH, Urteil vom 16.12.2003, X ZR 282 / 02: "Wird eine Ausschreibung aufgehoben, ohne daß einer der in [...] VOB/A, [...] VOL/A genannten Gründe vorliegt, so setzt der auf Ersatz auch des entgangenen Gewinns gerichtete Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo nicht nur voraus, daß dem Bieter bei Fortsetzung des Verfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, weil er das annehmbarste Angebot abgegeben hat; er setzt vielmehr darüber hinaus auch voraus, daß der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden ist."

BGH, Urteil vom 16.12.2003, X ZR 282 / 02: "Erst durch die Erteilung des Auftrags erweist es sich als berechtigt, auf die eine Realisierung von Gewinn einschließende Durchführung der ausgeschriebenen Maßnahme vertraut zu haben. Unterbleibt die Vergabe des Auftrags, kommt hingegen regelmäßig nur eine Entschädigung im Hinblick auf Vertrauen in Betracht, nicht im Ergebnis nutzlose Aufwendungen für die Erstellung des Angebots und die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren tätigen zu müssen (BGHZ 139, 259 ff.)."

Der öffentliche Auftraggeber sollte sich des Risikos eines Schadenersatzanspruches bewußt sein, der durch eine nicht korrekte Aufhebung initiiert werden kann.

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