Samstag, 18. November 2017

Bindefristen bei Ausschreibungen von Bauleistungen gemäß VOB/A

Die Bindefrist bezeichnet die Spanne, bis zu deren Ablauf ein Bieter an sein Angebot gebunden ist. Mit dem Ende der Angebotsfrist und dem Beginn der Bindefrist können die Bieter ihre Angebote nicht mehr zurückziehen.



Kann der Auftraggeber bis zum Ende der Bindefrist keinen Zuschlag vornehmen, muss er die Bieter, die für die Zuschlagserteilung in die engere Wahl kommen, um eine Verlängerung der Bindefrist ihrer Angebote bitten. Das Vergabeverfahren kann somit auch nach Ablauf der Bindefrist fortgesetzt werden.

Es ist nicht erforderlich, dass alle Bieter, die in die engere Wahl kommen, der Bindefristverlängerung zustimmen. Stimmen Bieter nicht der Verlängerung der Bindefrist zu oder stimmen Bieter nur unter Vorbehalt bzw. .nderungswünschen zu, so sind diese Angebote nicht zu werten. Mit Ablauf der Bindefrist ist der Bieter nicht mehr an sein Angebot gebunden. Er kann frei entscheiden, ob er einer Verlängerung der Bindefrist zustimmt oder ob er einem jetzt erfolgten Zuschlag des Auftraggebers zustimmt. Denn nach Ablauf der Bindefrist stellt der Zuschlag des Auftraggebers auf das Angebot des Bieters ein neues Angebot im Sinne von § 150 Abs. 1 BGB dar.

Bis zum Ablauf der Angebotsfrist können Angebote zurückgezogen werden. Die Bindefrist beginnt erst mit dem Ende der Angebotsfrist. Für Ausschreibungen von Bauleistungen gibt es konkrete Vorgaben für die Dauer der Bindefrist.

Für Vergabeverfahren von Bauleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte (VOB/A, 1. Abschnitt) beträgt die Bindefrist in der Regel 30 Kalendertage. Eine längere Bindefrist ist

§ 10 Abs. 5 VOB/A: Die Bindefrist beginnt mit dem Ablauf der Angebotsfrist.

§ 10 Abs. 4 VOB/A: Der Auftraggeber bestimmt eine angemessene Frist, innerhalb der die Bieter an ihre Angebote gebunden sind (Bindefrist). Diese soll so kurz wie möglich und nicht länger bemessen werden, als der Auftraggeber für eine zügige Prüfung und Wertung der Angebote (§§ 16 bis 16d) benötigt. Eine längere frist als 30 Kalendertage soll nur in begründeten Fällen festgelegt werden. Das Ende der Bindefrist ist durch Angabe des Kalendertages zu bezeichnen.

Für Vergabeverfahren im Bereich der VOB/A, 1. Abschnitt (Bauleistungen unterhalb des EU-Schwellenwertes) beträgt die Bindefrist in der Regel 30 Kalendertage. Eine längere Bindefrist ist möglich, muss aber zumindest in der Vergabeakte objektiv begründet und dokumentiert werden.

§ 10b EU Abs. 9 VOB/A: Die Bindefrist beginnt mit dem Ablauf der Angebotsfrist.

§ 10b EU Abs. 8 VOB/A: Der öffentliche Auftraggeber bestimmt eine angemessene Frist, innerhalb der die Bieter an ihre Angebote gebunden sind (Bindefrist). Diese soll so kurz wie möglich und nicht länger bemessen werden, als der öffentliche Auftraggeber für eine zügige Prüfung und Wertung der Angebote (§§ 16 EU bis 16d EU) benötigt. Die Bindefrist beträgt regelmäßig 60 Kalendertage. In begründeten Fällen kann der öffentliche Auftraggeber eine längere Frist festlegen. Das Ende der Bindefrist ist durch Angabe des Kalendertages zu bezeichnen.

Die Bindefrist wird durch den Auftraggeber im Ausschreibungsverfahren festgesetzt. Diese Frist muss für alle Bieter gleich sein, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Verkürzt ein Bieter die in den Vergabeunterlagen aufgeführte Bindefrist eigenmächtig, so muss das Angebot des Bieters von der Vergabestelle zwingend ausgeschlossen werden.

Vergabekammer Rheinland-Pfalz VK 23/04:Der Auftraggeber muss einen einheitlichen Zeitpunkt für den Fristablauf festlegen, weil er den Zuschlag nur auf ein Angebot erteilen kann und es insbesondere wegen des geltenden Gleichbehandlungsgrundsatzes darauf ankommt, dass für sämtliche Bieter dieselbe Annahmefrist gilt […] Ein Bieter ist nicht berechtigt, die in den Verdingungsunterlagen vorgesehene Zuschlags- und Bindefrist einseitig abzuändern.

Grundsätzlich können Bauausschuss- und Gemeinderatssitzungen eine längere Bindefrist begründen. Dies darf allerdings nicht pauschal vorgenommen werden, sondern sollte mindestens mit den Terminplänen der Sitzungen dokumentiert werden und auch objektiv gesehen unumgänglich sein.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 09. Juli 1999 – 12 U 91/98 –, Rn. 26: "Zu den besonderen Gründen, die grundsätzlich eine Überschreitung der Regelfrist rechtfertigen können, gehören bei einer Gemeinde - wie der Klägerin - auch die Besonderheiten ihrer Willensbildung. (…) Dabei bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (…) aber einer Prüfung im einzelnen, was angemessen ist, (…). Es verhält sich also nicht so, daß kommunale Auftraggeber wegen ihrer organisatorischen Bedingungen die Regelfrist ohne weiteres überschreiten dürften; vielmehr gilt im Ausgangspunkt die Regelfrist auch für sie."

BGH, Urteil vom 21. November 1991 – VII ZR 203/90 –, BGHZ 116, 149-156, Leitsatz 4: „Die in VOB/A (…) aufgeführte Bindungsfrist (…) ist keine Höchstfrist oder Obergrenze. Längere Bindungsfristen bedürfen lediglich einer hinreichenden Begründung.

BGH, Urteil vom 21. November 1991 – VII ZR 203/90 –, BGHZ 116, 149-156, Rn 19:(…) fallen bei der Gemeinde vor allem und gerade als Zeitfaktor die Beteiligung von ehrenamtlich tätigen, in beschließenden Gremien tagenden Organen der Willensbildung ins Gewicht. Anders als Behörden können solche Gremien nicht ständig präsent sein. Sie können nicht einmal ständig auf Abruf bereit stehen, sind vielmehr weitgehend auf turnusmäßige Sitzungen verwiesen."


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