Freitag, 14. Dezember 2012

Nebenangebote bei Ausschreibungen gemäß VOL/A

Nebenangebote bieten die Möglichkeit innovative Lösungen, die von der Vergabestelle bei der Ausarbeitung des Vergabeverfahrens noch nicht vorgesehen waren, zuzulassen und damit auch zu wirtschaftlicheren Lösungen zu gelangen.

Nebenangebote sind Vorschläge der Bieter, die in technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Hinsicht eine andere Lösung anbieten, als vom Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehen (siehe hierzu OLG Jena, 21.9.2009, 9 Verg 7/09).

 Die VK Baden-Württemberg, 15.5.2003, 1 VK 20/03 schreibt dazu:
"Grundsätzlich kann es erwünscht sein, dass Bieter im Blick auf den geforderten Leistungsumfang hinsichtlich von Kosten und Nutzen Ideen entwickeln und im Rahmen von Nebenangeboten Einsparungspotentiale anbieten, die eine andere Ausführung [..] abweichend von der Ausschreibung vorschlagen."

Der Auftraggeber muss aber die Zulässigkeit von Nebenangeboten bei Ausschreibungen gemäß VOL/A explizit in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen angeben.

Zulassung/Nicht-Zulassung von Nebenangeboten


Gemäß § 8 Abs 4 VOL/A (unterhalb des EU-Schwellenwertes) und § 9 EG Abs 5 VOL/A (ab Erreichen des Schwellenwertes) können Auftraggeber Nebenangebote zulassen.

§ 8 Abs 4 VOL/A
Die Auftraggeber können Nebenangebote zulassen. Fehlt eine entsprechende Angabe in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen, sind keine Nebenangebote zugelassen.

§ 9 EG Abs 5 Satz 1 und 2 VOL/A
Die Auftraggeber können Nebenangebote zulassen. Fehlt eine entsprechende Angabe in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen, sind keine Nebenangebote zugelassen.
 
Werden sowohl in der Bekanntmachung als auch in den Vergabeunterlagen keine Aussagen zu Nebenangeboten getroffen, so sind diese nicht zugelassen.

Werden in der Bekanntmachung Nebenangebote explizit ausgeschlossen, so kann dies in den Vergabeunterlagen nicht mehr rückgängig gemacht werden.
(siehe hierzu VK Sachsen, 13.4.2005, 1/SVK/018-05)


Mindestanforderungen


Bei Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte müssen im Gegensatz zu Vergabeverfahren ab Erreichen der Schwellenwerte, vom Auftraggeber keine Mindestanforderungen festgelegt werden.
Die Vergabekammer Sachsen (1/SVK/125-06) schreibt dazu: "Eine solche Pflicht
lässt sich nach Auffassung der Vergabekammer für eine öffentliche Ausschreibung weder aus den nationalen Bestimmungen, noch aus der Entscheidung des EuGH , (Urteil vom 16.10.2003, C-421-01) noch aus dem Transparenzgrundsatz ableiten." 
Siehe hierzu auch Gnittke/Hattig in Müller-Wrede (Hrsg.) Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen - Kommentar. 3. Aufl. § 8 Rn. 16 - 17.

Ab Erreichen der Schwellenwerte, d. h. bei europweiten Vergaben, muss der Auftraggeber Mindestanforderungen für die Nebenangebote festlegen.

§ 9 EG Abs 5 Satz 3 VOL/A
Lassen die Auftraggeber Nebenangebote zu, legen sie hierzu in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen Mindestanforderungen fest.

Hat der Auftraggeber die Mindestanforderungen nicht festgelegt, so dürfen die Nebenangebote auch nicht gewertet werden. Das Bayerische Oberste Landesgericht schreibt in seinem Beschluss vom 22. Juni 2004 (Verg 13/04) mit Verweis auf das EuGH-Urteil (EuGH 16.10.2003 C-421/01): "Nebenangebote sind jedoch nur dann wertbar, wenn sie die Mindestanforderungen erfüllen, welche der Auftraggeber für Nebenangebote aufgestellt hat [..] ergibt sich, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen zu erläutern, die Änderungsvorschläge erfüllen müssen.(siehe hierzu auch Gnittke/Hattig in Müller-Wrede (Hrsg.) Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen - Kommentar. 3. Aufl. § 9 EG Rn. 75.)


Ausschluss von Nebenangeboten

§ 16 Abs 3 lit g VOL/A
Ausgeschlossen werden: nicht zugelassene Nebenangebote.

§ 19 EG Abs 3 lit g VOL/A
Ausgeschlossen werden: nicht zugelassene Nebenangebote sowie Nebenangebote, die die verlangten
Mindestanforderungen nicht erfüllen.


Wichtig:

Nebenangebote müssen als solche gekennzeichnet sein und auf einer besonderen Anlage zum Angebot unterbreitet werden, da es sonst nicht möglich ist zwischen Haupt- und Nebenangeboten zu unterscheiden.



Donnerstag, 6. Dezember 2012

Vorträge zum Vergaberecht

Die folgenden meiner Vorträge zum Vergaberecht sind online verfügbar:

 

Grundlagen des Vergaberechts - Einblick in das Regelwerk


Der Vortrag gibt einen Einblick in das Regelwerk des Vergaberechts und zeigt den Zusammenhang zwischen globalen Vereinbarungen wie dem Government Procurement Agreement, den europäischen Richtlinien sowie der deutschen Gesetzgebung und Vergabeverordnungen. 


Der Vortrag als PDF.



Fristverkürzungen beim Offenen Vergabeverfahren gemäß VOL/A und VOB/A


Der Vortrag zeigt die Möglichkeiten der Fristverkürzungen beim offenen Verfahren. Der Auftraggeber kann durch Vorinformation, elektronische Bekanntmachung sowie dem Zugriff auf Vergabeunterlagen und sonstigen zusätzlichen Unterlagen auf elektronischem Weg die Fristen bei Bedarf deutlich verkürzen.

Der Vortrag als PDF





Fristen im Vergabeverfahren - Angebotsfrist und Veröffentlichungsfrist


Die Fristen in Vergabeverfahren sind ein zentrales Thema bei öffentlichen Ausschreibungen. Der Vortrag geht im Besonderen auf die Angebotsfrist und die Veröffentlichungsfrist ein: Wie sind die Fristen definiert, wann beginnt und wann endet die Frist? Beispiele und Grafiken verdeutlichen das Ganze.


Der Vortrag als PDF




  

GPA - Weltweite Vereinbarung zur öffentlichen Vergabe von Aufträgen


Vortrag über die weltweite Vereinbarung zur öffentlichen Vergabe von Aufträgen, das Government Procurement Agreement (GPA). Es werden die künstliche Währungseinheit SZR (Sonderziehungsrecht) und die GPA- Schwellenwerte für die EU sowie die notwendige Anpassung der EU-Schwellenwerte behandelt.


Der Vortrag als PDF.




Diese Vorträge und weitere finden Sie auch auf Slideshare.


Mittwoch, 5. Dezember 2012

Vergabeverfahren - Offenes Verfahren

Beim Offenen Verfahren handelt es sich um ein europaweites Verfahren für die Auftragsvergabe oberhalb der Schwellenwerte bei dem eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Angebotsabgabe aufgefordert wird und damit ein hohes Maß an Wettbewerb gewährleistet.

Beim Offenen Verfahren wird somit der Bewerberkreises nicht vorab eingeengt. Jeder Bewerber, der sich in der Lage sieht ein Angebot zu erstellen, darf ein Angebot abgeben. Das offene Verfahren ist somit ein einstufiges Verfahren, bei dem kein vorgeschalteter Teilnahmewettbewerb existiert. Die Bieter geben den Teilnahmeantrag mit dem Angebot gleichzeitig ab.

Verfahrensablauf beim Offenen Verfahren


Das Offene Verfahren beginnt mit der Absendung der Bekanntmachung an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der europäischen Gemeinschaften und nicht bereits mit der Absendung einer eventuellen Vorinformation über die geplante Vergabe (siehe hierzu Vergabekammer Sachsen 1/SVK34-01).

§ 101 Abs. 2 GWB
Offene Verfahren sind Verfahren, in denen eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird.


Das Offene Verfahren kann in den Vergabeordnungen VOL/A, VOB/A und SektVO angewendet werden. In den Vergabeordnungen VOF sowie VSVgV steht das Offene Verfahren nicht zur Verfügung.



VOL/A und VOB/A


§ 3 EG Abs. 1 VOL/A
Die Vergabe von Aufträgen erfolgt im offenen Verfahren. In begründeten Ausnahmefällen ist ein nicht offenes Verfahren, ein Verhandlungsverfahren oder ein wettbewerblicher
Dialog zulässig.


§ 3 EG Abs. 1 Nr 1 VOB/A
[..] bei einem offenen Verfahren wird eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert,

§ 3 EG Abs. 2 VOB/A
Das offene Verfahren hat Vorrang vor den anderen Verfahren, es muss angewendet werden, wenn nicht die Eigenart der Leistung oder besondere Umstände eine Abweichung rechtfertigen.


Sektorenverordnung - SektVO

Im Sektorenbereich haben die Auftraggeber die freie Wahl zwischen offenem Verfahren, nicht offenem Verfahren mit Bekanntmachung und Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung.

 § 6 Abs. 1 SektVO 
Auftraggeber können bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zwischen offenem Verfahren, nicht offenem Verfahren mit Bekanntmachung und Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung wählen.

Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit VSVgV

In der Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) ist das Offene Verfahren nicht vorgesehen.


§ 11 Abs. 1 VSVgV
Die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen erfolgt im nicht offenen Verfahren oder im
Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb. In begründeten Ausnahmefällen ist ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb oder ein wettbewerblicher Dialog zulässig.


Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen


In der Vergabeverordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) ist das Offene Verfahren nicht vorgesehen.


§ 3 Abs. 1 VOF
Aufträge werden im Verhandlungsverfahren mit vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme (Teilnahmewettbewerb) vergeben.


Montag, 3. Dezember 2012

Fristen und Termine im Vergaberecht

In den Vergabeverfahren ist die genaue Definition von Fristen und Terminen und deren Bestimmung von besonderer Bedeutung. Bei einem formal strengen Verfahren muss ohne jeglichen Spielraum für alle Beteiligten klar sein, wann eine Frist beginnt und wann sie endet.


Frist

Eine Frist ist ein abgegrenzter, d. h. ein bestimmt bezeichneter oder  bestimmbarer Zeitraum. Die  Dauer kann dabei durch eine zeitlich feste Begrenzung wie z. B 15 Tage oder einen unbestimmten Begriff   wie z. B. unverzüglich oder angemessen bestehen.

Eine Frist hat einen Anfangs- und einen Endtermin (siehe hierzu J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen Buch 1 - Allgemeiner Teil § 186 Rn. 5, Berlin 2004 bzw. Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage 2006, § 186 RN 4)




Beispiele für  unbestimmte Fristbegriffe finden sich in § 10 VOL/A  oder § 107  GWB:

§ 10 Abs. 1 VOL/A
Für die Bearbeitung und Abgabe der Teilnahmeanträge und der Angebote sowie für die Geltung der Angebote sind  ausreichende Fristen (Teilnahme-, Angebots und Bindefristen) vorzusehen.


§ 107 Abs. 3  Nr. 1 GWB
Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber  nicht unverzüglich gerügt hat. 

  
Ein Beispiel für eine Frist mit einem bestimmt bezeichneten Zeitraum findet sich in § 101 GWB:

§ 101a GWB Abs. 1, Satz 3
Ein Vertrag darf erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information nach den Sätzen 1 und 2 geschlossen werden. 



Für die Fristberechnungen im Vergaberecht gilt ganz allgemein die Grundregel, dass die Fristen nach ganzen Tagen berechnet werden. Eine Frist beginnt mit dem Anfang eines Kalendertages (Fristbeginn) um 0:00 Uhr und endet mit dem Ende eines Kalendertages (Fristende) um 24:00 Uhr.

Termin

Ein Termin ist im Unterschied zur Frist ein Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll oder Rechtswirkungen eintreten (siehe hierzu J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen Buch 1 - Allgemeiner Teil § 186 RN 8; Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage 2006, § 186 RN 4;  )

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Beispiele für Fristen bei Vergabeverfahren


Veröffentlichungsfrist
Angebotsfrist
Bindefrist / Zuschlagsfrist
Fristen bei der Informations- und Wartepflicht
Fristen bei der Informations- und Wartepflicht II

Weiteres über Fristen im Vergabeverfahren vermittelt das eintägige  
Seminar Praxisratgeber Vergaberecht - Fristen im Vergabeverfahren