Dienstag, 18. November 2014

Preis als alleiniges Zuschlagskriterium

In vielen meiner Seminare taucht immer wieder die Frage auf, ob der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium erlaubt ist. Verzweifelt und mühsam werden Zuschlagskriterien gesucht und verwendet, um vermeintlich vergaberechtskonform auszuschreiben. Teilweise werden bei der Wertung der Angebote Zuschlagskriterien verwendet, die weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen veröffentlicht wurden, oder es werden weitere Zuschlagskriterien eingeführt, die nichts anderes als Alibi-Funktionen haben. Gerade durch solche Aktionen entstehen aber gerade erst Vergaberechtsverstöße.

Gleich vorweg, ich bin kein Freund des billigsten Preises. Aber manchmal ist es sinnvoller, das, was man benötigt, mit Mindestanforderungen auszuschreiben, jedes Angebot, das diese Mindestanforderungen nicht erfüllt, auszuschließen und dann die Wertung auf ein messbares Kriterium wie den Preis zu stützen.

Die Vergabeordnungen suggerieren, dass der Preis als alleiniges Kriterium nicht erlaubt ist. Beispielhaft sei die VOL/A zitiert:

§ 18 Abs. 1 VOL/A
Der Zuschlag ist auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste
Angebot zu erteilen. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend.

Die Rechtsprechung zeigt aber, dass der Preis als alleiniges Kriterium bei Ausschreibungen möglich ist.

Herlemann in: jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl. 2013, § 18 VOL/A 2009, Rn. 20: "[..] Aus den Ausführungen des Bundesgerichtshofs ergibt sich aber inzidenter des Weiteren, dass der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium durchaus mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz vereinbar und damit zulässig ist. Diese Aussage hat auch auf der Basis der neuen Rechtslage Bestand, da in Bezug auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz keine Änderung seitens des Normgebers vorgenommen wurde."

BGH Urteil vom 15.04.2008 - X ZR 129/06, Rn. 20: "[..] Der Preis ist ein neutraler Gesichtspunkt, der sich in jedem Fall, unabhängig vom Gegenstand des einzelnen Vergabeverfahrens, eignet, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, und mit dessen Maßgeblichkeit jeder Bieter immer dann rechnen muss, wenn keine anderen Kriterien angegeben sind."

Bei europaweiten Ausschreibungen ist nach der Rechtsprechung des EuGH das ausschließliche Zuschlagskriterium "niedrigster Preis" zulässig.
EuGH Urteil vom 07.10.2004 - C-247/02, Rn. 4:Bei der Erteilung des Zuschlags wendet der öffentliche Auftraggeber folgende Kriterien an:
a)   entweder ausschließlich das Kriterium des niedrigsten Preises
b)   oder – wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt – verschiedene auf den jeweiligen Auftrag bezogene Kriterien, wie z. B. Preis, Ausführungsfrist, Betriebskosten, Rentabilität oder technischer Wert.

EuGH Urteil vom 07.10.2004 - C-247/02, Rn. 38: "Artikel 30 der Richtlinie sieht daher in Absatz 1 die Kriterien vor, die der öffentliche Auftraggeber bei der Erteilung des Zuschlags anwendet, nämlich entweder ausschließlich das Kriterium des niedrigsten Preises oder, wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt, verschiedene auf den jeweiligen Auftrag bezogene Kriterien, wie Preis, Ausführungsfrist, Betriebskosten, Rentabilität oder technischer Wert."

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 05.06.2012, 11 Verg 4 / 12: Die Festlegung des alleinigen Zuschlagskriteriums „Niedrigster Preis“ verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB. Dem Auftraggeber steht ein Wahlrecht zwischen den Zuschlagskriterien des wirtschaftlich günstigsten Angebotes und des niedrigsten Preises zu. Dieses Wahlrecht kann der nationale Gesetzgeber nicht generell einschränken. [..] Das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 20.5.2010, Az: Verg 04/10, zitiert nach juris) geht ausdrücklich davon aus, dass die Festsetzung des niedrigsten Preises als alleiniges  Zuschlagskriterium zulässig ist (Rd. 34). Im Ergebnis hält auch das Oberlandesgericht Schleswig (Beschluss vom 15.4.2011, Az: 1 Verg 10/10, NZBau 2011, 375, 377) die Festlegung des Zuschlagskriteriums niedrigster Preis für zulässig.

OLG München, Beschluss vom 20.05.2010 - Verg 04/10, Rn. 41: "[..] Zwar bleibt es dem nationalen Gesetzgeber unbenommen, gegenüber einer Richtlinie strengere Vorschriften zu erlassen. Im Verhältnis der möglichen Zuschlagskriterien „Preis“ und „wirtschaftlich günstigstes Angebot“ liegt aber kein Verhältnis größerer oder geringerer Strenge vor, sondern eine neutrale Alternativität. Wegen der nicht vollständigen Umsetzung in das nationale Recht gilt Art. 55 Abs. 1b RL 2004/17/EG deshalb unmittelbar, so dass der Preis als einziges Zuschlagskriterium vergaberechtlich unbedenklich gewählt werden kann."

Fazit:
Die Verwendung des Preises als alleiniges Zuschlagskriterium ist somit möglich und erlaubt. Der Auftraggeber hat das Wahlrecht zwischen dem Zuschlagskriterium des "wirtschaftlich günstigsten Angebots" und des alleinigen Kriteriums "niedrigster Preis".

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