In vielen meiner Seminare taucht immer wieder die Frage auf, ob der
Preis als alleiniges Zuschlagskriterium erlaubt ist. Verzweifelt und
mühsam werden Zuschlagskriterien gesucht und verwendet, um vermeintlich
vergaberechtskonform auszuschreiben. Teilweise werden bei der Wertung
der Angebote Zuschlagskriterien verwendet, die weder in der
Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen veröffentlicht wurden, oder
es werden weitere Zuschlagskriterien eingeführt, die nichts anderes als
Alibi-Funktionen haben. Gerade durch solche Aktionen entstehen aber
gerade erst Vergaberechtsverstöße.
Gleich vorweg, ich bin kein
Freund des billigsten Preises. Aber manchmal ist es sinnvoller, das, was
man benötigt, mit Mindestanforderungen auszuschreiben, jedes Angebot,
das diese Mindestanforderungen nicht erfüllt, auszuschließen und dann
die Wertung auf ein messbares Kriterium wie den Preis zu stützen.
Die Vergabeordnungen suggerieren, dass der Preis als alleiniges Kriterium nicht erlaubt ist. Beispielhaft sei die VOL/A zitiert:
§ 18 Abs. 1 VOL/A
Der Zuschlag ist auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste
Angebot zu erteilen. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend.
Die Rechtsprechung zeigt aber, dass der Preis als alleiniges Kriterium bei Ausschreibungen möglich ist.
Herlemann in: jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl. 2013, § 18 VOL/A 2009, Rn. 20: "[..]
Aus den Ausführungen des Bundesgerichtshofs ergibt sich aber inzidenter
des Weiteren, dass der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium durchaus
mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz vereinbar und damit zulässig ist.
Diese Aussage hat auch auf der Basis der neuen Rechtslage Bestand, da in
Bezug auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz keine Änderung seitens des
Normgebers vorgenommen wurde."
BGH Urteil vom 15.04.2008 - X ZR 129/06, Rn. 20: "[..]
Der Preis ist ein neutraler Gesichtspunkt, der sich in jedem Fall,
unabhängig vom Gegenstand des einzelnen Vergabeverfahrens, eignet, um
das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, und mit dessen
Maßgeblichkeit jeder Bieter immer dann rechnen muss, wenn keine anderen
Kriterien angegeben sind."
Bei europaweiten Ausschreibungen
ist nach der Rechtsprechung des EuGH das ausschließliche
Zuschlagskriterium "niedrigster Preis" zulässig.
EuGH Urteil vom 07.10.2004 - C-247/02, Rn. 4: „Bei der Erteilung des Zuschlags wendet der öffentliche Auftraggeber folgende Kriterien an:
a) entweder ausschließlich das Kriterium des niedrigsten Preises
b)
oder – wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot
erfolgt – verschiedene auf den jeweiligen Auftrag bezogene Kriterien,
wie z. B. Preis, Ausführungsfrist, Betriebskosten, Rentabilität oder
technischer Wert.“
EuGH Urteil vom 07.10.2004 - C-247/02, Rn. 38: "Artikel
30 der Richtlinie sieht daher in Absatz 1 die Kriterien vor, die der
öffentliche Auftraggeber bei der Erteilung des Zuschlags anwendet,
nämlich entweder ausschließlich das Kriterium des niedrigsten Preises
oder, wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot
erfolgt, verschiedene auf den jeweiligen Auftrag bezogene Kriterien, wie
Preis, Ausführungsfrist, Betriebskosten, Rentabilität oder technischer
Wert."
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 05.06.2012, 11 Verg 4 / 12: Die
Festlegung des alleinigen Zuschlagskriteriums „Niedrigster Preis“
verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB.
Dem Auftraggeber steht ein Wahlrecht zwischen den Zuschlagskriterien
des wirtschaftlich günstigsten Angebotes und des niedrigsten Preises zu.
Dieses Wahlrecht kann der nationale Gesetzgeber nicht generell
einschränken. [..] Das Oberlandesgericht München (Beschluss vom
20.5.2010, Az: Verg 04/10, zitiert nach juris) geht ausdrücklich davon
aus, dass die Festsetzung des niedrigsten Preises als alleiniges
Zuschlagskriterium zulässig ist (Rd. 34). Im Ergebnis hält auch das
Oberlandesgericht Schleswig (Beschluss vom 15.4.2011, Az: 1 Verg 10/10,
NZBau 2011, 375, 377) die Festlegung des Zuschlagskriteriums niedrigster
Preis für zulässig.
OLG München, Beschluss vom 20.05.2010 - Verg 04/10, Rn. 41: "[..]
Zwar bleibt es dem nationalen Gesetzgeber unbenommen, gegenüber einer
Richtlinie strengere Vorschriften zu erlassen. Im Verhältnis der
möglichen Zuschlagskriterien „Preis“ und „wirtschaftlich günstigstes
Angebot“ liegt aber kein Verhältnis größerer oder geringerer Strenge
vor, sondern eine neutrale Alternativität. Wegen der nicht vollständigen
Umsetzung in das nationale Recht gilt Art. 55 Abs. 1b RL 2004/17/EG
deshalb unmittelbar, so dass der Preis als einziges Zuschlagskriterium
vergaberechtlich unbedenklich gewählt werden kann."
Fazit:
Die
Verwendung des Preises als alleiniges Zuschlagskriterium ist somit
möglich und erlaubt. Der Auftraggeber hat das Wahlrecht zwischen dem
Zuschlagskriterium des "wirtschaftlich günstigsten Angebots" und des
alleinigen Kriteriums "niedrigster Preis".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.