Von Helena Ferber (12 Jahre).
Hallo, ich bin Rudolf, ein Rentier aus dem Stall des Weihnachtsmanns. Ich gehöre zu den Rentieren, die dazu da sind, den Schlitten zu ziehen und den Weihnachtsmann um die ganze Welt in nur kurzer Zeit zu bringen.
Dieses Jahr standen wir im Stall in unseren Boxen und langweilten uns. So ist das schon immer vor Weihnachten. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, bis das Rentier aus Box Nummer drei sagte: „He, bemerkt ihr nicht, dass der Weihnachtsmann Verspätung hat? Zwar erst zehn Minuten, aber ich hoffe, dass er nicht wieder verschlafen hat.“ - „Kann nicht sein!“, hörte ich darauf aus der Richtung von Box Nummer 5, „Wir wurden heute morgen gefüttert. Und wenn er verschlafen hätte, dann hätte er uns heute noch kein Futter...“
Weiter kam das Rentier nicht. Ein komisches lautes Aufheulen vom Stallvorplatz unterbrach es. Vor Schreck zogen sich alle Rentiere in die hintersten Ecken ihrer Boxen zurück. Wieder heulte etwas auf, und ich schrie gegen den Lärm an: „He, das ist doch nicht normal! Ich sehe jetzt nach, was da los ist. Kommt jemand mit?“
Im Chor wimmerten alle Rentiere vor Angst. Also machte ich mich alleine auf den Weg. Auf dem Stallvorplatz angekommen, zuckte ich zusammen. Ich traute meinen Augen kaum und guckte dämlich. Da saß der Weihnachtsmann in einem komischen, dröhnenden Blechding. Er schien bester Laune zu sein, denn er rief mir zu: „He Rudolf, schau mal - mein neuer Dieselschlitten! Kosten sparend, mehr Ausdauer, größere Ladefläche. Ihr Rentiere kommt allesamt ins Tierheim. So, jetzt muss ich aber los, wir unterhalten uns alle morgen früh, dann haben wir Ruhe. Sag bitte den anderen Rentieren Bescheid, dass sie ab jetzt an Weihnachten nicht mehr gebraucht werden. Tschüs!“
Jetzt guckte ich noch dämlicher. Ich dachte mir nur, was das bedeuten soll mit dem 'ins Tierheim' und wir werden 'nicht mehr gebraucht'. Langsam und geistesabwesend trabte ich in den Stall. Dort wurde ich gleich von allen überfallen. So wurde mir zugerufen: „Rudolf, was ist passiert? Du siehst furchtbar geschockt aus!“ und „ Du musst uns sofort erzählen, was passiert ist!“
Also erzählte ich, was der Weihnachtsmann gesagt hatte. Es wurde ganz still. Aus einer Ecke hörte man ein Rentier schluchzen. Das Rentier aus Box Nummer 3 rief: „Das können wir uns nicht gefallen lassen! Was denkt der Weihnachtsmann sich dabei - ist er verrückt geworden? Rentiere gehören einfach zu Weihnachten wie Heu in den Stall. Oder wie Futter zu mir. Rentiere, das lassen wir uns nicht gefallen! Hinter ihm her, wir müssen ihn zur Vernunft bringen!“
Von überall hörte ich zustimmendes Gemurmel. „Jetzt reißt euch doch mal zusammen!“, schrie ich, „Wenn wir jetzt alle ausrasten, hilft uns das auch nicht weiter. Mir kommt nämlich gerade ein furchtbarer Gedanke: Der Weihnachtsmann wird abstürzen, weil dieser neue Schlitten ja ein Dieselschlitten ist. Und wenn es sehr kalt ist, gefriert Diesel. Und es i s t sehr kalt. Wir müssen ihm helfen. Zuerst sollten wir dem Stallburschen Bescheid sagen. Er wird uns sicher helfen.“
Ein Blick genügte, und das Rentier aus Box Nummer 3 galoppierte los, um den Stallburschen zu holen. Ich, der neben dem Rentier aus Box Nummer 3 der einzige war, dessen Boxentür immer offen stand, befreite die anderen Rentiere aus ihren Boxen. Alle versammelten sich auf dem Stallvorplatz. Das Rentier aus Box Nummer 3 hatte den Stallburschen gefunden. Ich sagte zu ihm: „Danke, dass du gekommen bist. Der Weihnachtsmann wird wahrscheinlich mit seinem neuen, dämlichen Dieselschlitten abstürzen. Du musst uns vor den alten Schlitten spannen und dann mit uns den Weihnachtsmann suchen gehen.“
Das war leichter gesagt als getan, denn der alte, traditionelle Holzschlitten wog eine ganze Menge. Als endlich alle vor den Schlitten gespannt waren, übernahm ich das Kommando. Ich rief dem Stallburschen zu: „Setz dich auf den Schlitten, dann kannst du uns vielleicht noch helfen. Und außerdem ist es super, mit dem Schlitten zu fliegen.“ Den anderen Rentieren rief ich zu: „Antraben, in den Galopp wechseln und abspringen!“
Alles lief reibungslos, und wir flogen systematisch alles ab. Irgendwann über dem Meer hörten wir ein Knattern und sahen eine dunkle Rauchwolke. Ich schrie: „Das ist der Weihnachtsmann! Wir müssen ihm helfen, denn das, was aus seinem Schlitten rauskommt, sieht nicht gut aus.“
Dem Weihnachtsmann rief ich zu: „ Hallo, Weihnachtsmann, wir kommen um dir zu helfen! Dein Schlitten stürzt gleich ab.“ Der Weihnachtsmann rief: „Rudolf, danke, dass du gekommen bist! Das mit dem Schlitten war eine schlechte Idee.“ - „Ja,“, rief ich, „ist jetzt auch egal. Wir müssen dich und die ganzen Geschenke retten.“
Also flogen wir direkt neben den Schlitten vom Weihnachtsmann. Der Weihnachtsmann warf dem Stallburschen jeder Päckchen einzeln rüber und dieser musste es verstauen. Für mich war es sehr schwer, Kurs zu halten. Aber bald waren alle Päckchen verstaut, und der Weihnachtsmann sprang auf unseren Schlitten. Keinen Moment zu spät, denn der Schlitten stürzte einfach ab. Der Weihnachtsmann wimmerte: „Mein wunderbarer Schlitten! Jetzt ist er kaputt. So viel Geld fällt jetzt einfach in den Ozean.“ Ich entgegnete: „Aber Weihnachtsmann, ist dir so ein Schlitten denn wichtiger als Weihnachten?“ - „Du hast Recht, Rudolf, ich habe verstanden. Ich hätte nachdenken sollen, bevor ich mir den Schlitten gekauft habe. Und jetzt vollen Huf voraus - es muss beschert werden!“
Und so kam es, dass Weihnachten, die Geschenke und vor allem der Weihnachtsmann nicht ins Wasser gefallen sind.
Nach der Bescherung, als der Weihnachtsmann schon müde in seinem Sessel Platz genommen hatte, flog ich mit dem Stallburschen noch mal los, um den vom Weihnachtsmann geliebten Dieselschlitten zu suchen. Da, unten im Meer schaukelte etwas. Es war der Schlitten. Wir schafften es, ihn an mir festzubinden und flogen wieder nach Hause. Dort klopften wir an die Tür vom Weihnachtsmann, und der Weihnachtsmann öffnete schläfrig. Der Stallbursche und ich riefen im Chor: „Frohe Weihnachten, Weihnachtsmann, du bekommst jetzt auch mal ein Geschenk von uns!“
Der Weihnachtsmann guckte erst ganz komisch, doch als er seinen Dieselschlitten sah, schrie er vor Freude: „Mein Schlitten, er ist noch ganz! Ich kann den Motor austauschen lassen und mit ihm dann im Sommer in meiner Freizeit fliegen! Denn eine Sache habe ich gelernt: Ein Weihnachten ohne Rentiere geht nicht, das habt ihr mir bewiesen!“
ENDE
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