Samstag, 17. Juni 2017

Schulnoten, Notenskalen und Bewertungsmethoden im Vergabeverfahren

Wie man mit mathematischen Modellen Licht in die kontroverse Diskussion zu den Themen Bewertungsmethoden und Notenskalen bekommt. 

Der Aufsatz "Die Unschärferelation und der Zuschlag", der in der Juli-Ausgabe 4/2017 der Zeitschrift Vergabe Navigator erscheint, gibt einen Einblick, wie man durch die Anwendung von mathematischen Modellen die Zuschlagswertung im Vergaberecht beschreiben kann. Ziel ist, dadurch letztendlich zu einer objektiven Zuschlagsbewertung zu kommen.Mathematische Modelle können so Licht in die kontroverse Diskussion um die Themen Bewertungsmethoden und Notenskalen bringen.

Würde man einen Wettbewerb im Bogenschießen, bei dem die Zielkreise erst eingesetzt werden, nachdem die Pfeile geschossen wurden als fair ansehen? Oder würde man einen Wettbewerb im Bogenschießen, bei dem die Zielkreise nur sehr unscharf durch Nebel fast verborgen sind als fair ansehen? Würden bei einem solchen Wettbewerb die Grundsätze von Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerb gelten? Sicherlich nein!

Ein solcher Wettbewerb im Bogenschießen ist analog übertragbar auf ein Vergabeverfahren, bei dem die Angebote der Bieter die Pfeile sind und die Zielkreise die Zuschlagsbewertung. Umso mehr verwundert es, das immer wieder die Ansicht vertreten wird, dass die Bewertungsmethode (Zuschlagsformel) sowie die Notenskala nicht vorab veröffentlicht werden müssten und dass Notenskalen und Zuschlagsformeln keinen Einfluss auf das Zuschlagsergebnis hätten.

Mathematisches Modell zur Beschreibung der Zuschlagswertung

Ein mögliches mathematisches Modell zur Beschreibung der Zuschlagswertung basiert auf der Anwendung einer Notenskala und einer Zuschlagsfunktion.


  1. Die Anwendung einer Notenskala (Punkteskala) dient zur Beschreibung der Leistungsstärke der Angebote und ist eine mathematische Abbildung der realen Angebotsobjekte in ein numerisches System. 
  2. Die Zuschlagsformel (Bewertungsmethode), ermittelt aus den Angebotspreisen (bzw. einer Betrachtung der Gesamtkosten des Angebots in Euro und der Leistungsstärke (Qualität, Nachhaltigkeit, Innovation etc.) der Angebote in Leistungspunkten eine Kennzahl, welche die Wirtschaftlichkeit (Preis-Leistungs-Verhältnis) des Angebots repräsentiert. Die Zuschlagsformel (Bewertungsmethode) ist eine mathematische Abbildung von Angebotspreis (in Euro) und Leistungsstärke (in Punkten) auf eine Kennzahl.


Der etwas mathematischer gefasste Aufsatz benutzt die mathematischen Begriffe Definition, Theorem und Beweis, um einige wichtige Aussagen zur Zuschlagsbewertung zu treffen:
  • Eine Definition ist eine Erklärung der Bedeutung eines Begriffs. 
  • Ein Theorem ist eine mathematische Aussage, die als wahr bewiesen wurde. 
  • Ein mathematischer Beweis ist eine logisch vollständige Begründung einer mathematischen Aussage. 
 Der Aufsatz führt dann die folgenden Theoreme auf:

Theorem 1: Angebotspreisskalen
Die Anwendung von Ordinalskalen als Bewertungsmaßstab für die Angebotspreise führt zu einer Verzerrung bei der Zuschlagsbewertung.

Theorem 2
Die einfache Richtwertmethode (Quotient aus Leistungspunkten und Angebotspreis) weist im Allgemeinen ein nichtproportionales Verhalten auf, wenn die Leistung mittels ordinalen Skalen bewertet wird.

Theorem 3 (Unschärferelation)
Die Anwendung einer Ordinalskala führt immer zu einer Unschärfe. Die Unschärfe der ordinalen Notenskala ist umso größer, je weniger Punktestufen Anwendung finden.


Theorem 4:
Sind die Notenstufen bei einer ordinalen Skala nicht klar vorgegeben und kommt eine Notenskala mit nur wenigen Notenstufen zur Anwendung, dann ist das Zuschlagsergebnis bei der Angebotswertung steuerbar.

Theorem 5: Transparenz
Wird die Bewertungsmethode (Zuschlagsformel) sowie die Notenskala nicht vorab veröffentlicht, dann kann das Zuschlagsergebnis bei der Angebotswertung stark beeinflusst werden. 

Theorem 6: Gewichtung
Die Wahl der Notenskala hat einen Einfluss auf die effektive Gewichtung bei der Zuschlagsbewertung.

Referenzen

  1. Ferber, Mathematische Modelle zur Angebotswertung im Vergaberecht, Darmstadt 12/2017, Arbeitspapier noch nicht veröffentlicht.  
  2. Ferber. Die Unschärferelation und der Zuschlag, Vergabe Navigator 4/2017.
  3. Schäffer/Ferber. Zur (Un-)Zulässigkeit gängiger Wertungsmethoden, Vergabe Fokus 6/2016.
  4. Ferber. Vor- und Nachteile verschiedener Wertungssysteme, Vergabe Fokus 6/2016. 
  5. Ferber. Welche Bewertungsmethode ist für die Praxis zu empfehlen, Vergabe Fokus 6/2016. 
  6. Ferber. Das Rätsel „Preis-Leistungs- Verhältnis“, Vergabe Navigator, Sonderheft 2016. 
  7. Ferber. Die Crux mit den Noten - Der Einfluss von Notenskalen auf das Zuschlagsergebnis. Vergabe Navigator, 6/2016. 
  8. Ferber. Ein neuer Begriff von Wirtschaftlichkeit. Vergabe Navigator, 3/2016, S. 5-10. 
  9. Ferber. Wertungskriterien und Bewertungsmatrizen in der zukünftigen Vergabepraxis. Infoline 2/2016, S. 24-26. 
  10. Ferber. Zuschlagsbewertung in der Praxis. Vergabe Navigator, Sonderheft 2015, S. 25-29. 
  11. Ferber. Bewertungskriterien und -matrizen im Vergabeverfahren, (ISBN 978-3-8462- 0471-9), 10/2015 Bundesanzeiger Verlag. 

Sie können die Ausgabe 4/2017 des Vergabe Navigators direkt beim Bundesanzeiger Verlag bestellen oder beim Autor des Aufsatzes ein Preprint anfordern.

Seminar Wertungskriterien und Bewertungsmatrizen

Das Seminar Wertungskriterien und Bewertungsmatrizen behandelt die Besonderheiten der Bewertungskriterien, Zuschlagskriterien, Bewertungssysteme und Notenskalen sowie  Bewertungsmatrizen in Vergabeverfahren und basiert auf dem Standardwerk zum Thema Bewertungssysteme im Vergaberecht (Bewertungskriterien und -matrizen im Vergabeverfahren). 

Insbesondere die Schulnotenrechtsprechung der letzten Monate (BGH Beschluss vom 04.04.2017 - X ZB 3/17; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 08.03.2017, VII - Verg 39/16; OLG Dresden, Beschluss v. 26.1.2016 – Verg 1/16). und die daraus entstehenden Konsequenzen für die Vergabepraxis sind Thema im Seminar.

Seminartermine:
22.06.2017 in Hamburg
29.06.2017 in Darmstadt
14.09.2017 in Stuttgart
21.09.2017 in Berlin
28.09.2017 in Köln
26.10.2017 in Darmstadt
14.12.2017 in Darmstadt



Inhalt
  • Welche Kriterien sind neben dem Preis möglich und erlaubt? 
  • Transparenzgebot 
  • Die richtigen Kriterien finden, Wirtschaftlichkeit der Angebote 
  • Ausschlusskriterien, Bewertungskriterien, 
  • Gewichtung von Kriterien 
  • Preis-Leistungs-Verhältnis
  • einfache Richtwertmethode, erweiterte Richtwertmethode, gewichtete Richtwertmethode 
  • Mittelwertmethode, Medianmethode, Referenzwertmethode 
  • Interpolationsmethoden, Preisquotientenmethode
  • Vor- und Nachteile, Besonderheiten der verschiedenen Methoden, Störanfälligkeit und Stabilität der Methoden 
  • Erstellen von Bewertungsmatrizen, Notenskalen, Schulnotenrechtsprechung
  • Vermeiden von Komplexität, Analyse von Bewertungsmatrizen 
  • Auswertung mit Hilfe von Bewertungsmatrizen 
  • Rechtsprechung Beispiele und Tipps für die Praxis 













Die Buch- und Seminarreihe "Praxisratgeber Vergaberecht" versteht es, das Thema Vergaberecht aus dem Paragrafendschungel zu befreien und anschaulich und realitätsbezogen darzustellen. Wer den Praxisbezug dieses eher trockenen Themas sucht, findet ihn hier.

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  • umfangreiche Seminarunterlagen als PDF

Weitere Informationen zum Seminar und die Möglichkeit zur Anmeldung:

http://praxisratgeber-vergaberecht.de/seminar-bewertungsmatrizen.html


Buch Bewertungskriterien und -matrizen im Vergaberecht



Thomas Ferber
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