Eine Ausschreibung oberhalb der EU-Schwellenwerte muss keine Monate dauern. Beim offenen Verfahren beträgt die Regelmindestfrist für die Angebotsfrist 35 Kalendertage und kann durch die folgenden Maßnahmen reduziert werden:
- Akzeptanz der elektronischen Übermittlung der Angebote
- hinreichend begründete Dringlichkeit
- Veröffentlichen einer Vorinformation
Durch eine Vorinformation wird der Markt frühzeitig über die beabsichtigte Beschaffung und das vorgesehene Vergabeverfahren informiert. Interessierte Unternehmen erhalten dadurch bereits sehr frühzeitig wichtige Informationen über beabsichtigte Vergabeverfahren und können sich bereits im Vorfeld auf die Ausschreibung vorbereiten. Dies ist mit ein Grund, warum die Angebotsfrist in diesem Fall von mindestens 35 Kalendertagen auf 15 Kalendertage reduziert werden kann.
Die Entscheidung eine Vorinformation zu einem geplanten Beschaffungsvorgang zu veröffentlichen, liegt im freien Ermessen des Auftraggebers. Eine veröffentlichte Vorinformation begründet keine Verpflichtung für den Auftraggeber die Ausschreibung am Ende wirklich durchzuführen. Eine den Formalien entsprechende veröffentlichte Vorinformation ermöglicht allerdings eine deutliche Verkürzung der Angebotsfrist.
Die Vorinformation muss aber
- mindestens 35 Kalendertage vor Absendung der Bekanntmachung der Ausschreibung zur Veröffentlichung an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union übermittelt worden sein und
- höchstens 12 Monate vor Absendung der Bekanntmachung der Ausschreibung zur Veröffentlichung an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union übermittelt worden sein.
Beispielszenario für ein Vergabeverfahren mit Fristverkürzung durch eine Vorinformation
In diesem Beispiel wird die Regel-Angebotsmindestfrist von 35 Kalendertagen durch eine
Vorinformation auf 15 Kalendertage reduziert. Die Vorinformation muss allerdings mindestens
35 Kalendertage vor Absendung der Bekanntmachung der Ausschreibung an Ted gesendet
worden sein.
Die Ausschreibungsbekanntmachung wird an einem Dienstag an Ted gesendet. Die Angebotsfrist
beginnt am Folgetag (Mittwoch) um 0:00 Uhr. Die in einem strukturierten elektronischen Format übermittelte elektronische Bekanntmachung wird innerhalb von fünf Tagen nach Eingang beim Amt für Veröffentlichungen in Ted (tenders electronic daily) veröffentlicht. Im Beispiel erfolgt die Veröffentlichung in Ted am Donnerstag (Tag 02).
Die 15 Kalendertage Angebotsfrist enden an einem Dienstag (Tag 15) um 24:00 Uhr. Der
Auftraggeber legt im Beispiel den Abgabetermin (Ende der Angebotsfrist) auf Mittwoch
(Tag 32) 16:00 Uhr.
Beim beschleunigten offenen Verfahren müssen Bieterfragen bis 4 Kalendertage vor dem
Ende der Angebotsfrist beantwortet sein. Unter Berücksichtigung der vier ganzen Tage
(Tag 16, Tag 15, Tag 14, Tag 13) sowie des Wochenendes (Tag 12, Tag 11) ergibt sich als
Fristende zum Beantworten der Bieterfragen ein Freitag (Tag 10).
Für die Wertung der Angebote sind im Beispiel eine Woche vorgesehen. Nach der Auswertung der Angebote darf beim offenen Verfahren nicht gleich der Zuschlag erfolgen. Gemäß § 134 Abs. 1 GWB muss der öffentliche Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots sowie über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform informieren.
Gemäß § 134 Abs. 2 GWB darf ein Vertrag erst 15 Kalendertage (wenn die Information per
Post versendet wird) bzw. 10 Kalendertage (wenn die Information auf elektronischem
Weg, z.B. E-Mail oder Fax) nach Absendung dieser Information geschlossen werden. Gemäß
§ 134 Abs. 2 S. 3 GWB beginnt die Frist am Tag nach der Absendung der Information
durch den Auftraggeber.
Im Beispiel wird die Information über die Nichtberücksichtigung (Absage-Information) unverzüglich
nach Auswertung der Angebote an einem Freitag (Tag 24) per Fax versendet.
Die Wartefrist beginnt dann am Tag 25, 0:00 Uhr und endet zehn Tage später am Tag 34
um 24:00 Uhr. Der Zuschlag kann dann an Tag 35 erfolgen.
Kann die Wertung der Angebote in zwei Tagen durchgeführt werden, dann verkürzt sich die Ausschreibungsdauer nochmals deutlich.
Zu beachten bleibt aber immer: Um einen vernünftigen Wettbewerb zu gewährleisten, hat der Auftraggeber aber die Pflicht eine angemessene Angebotsfrist festzusetzen, die für die Komplexität und die Ausarbeitungszeit der Angebote erforderlich ist. Der Auftraggeber darf sich nicht stur auf die Mindestfristen und die formale Anwendbarkeit von Fristverkürzungen zurückziehen. Vielmehr muss er unter Berücksichtigung der Komplexität und sonstiger bekannter Randbedingungen wie z. B. Urlaubszeit, Brückentage durch Feiertage, Zusatzzeiten zum Beschaffen notwendiger Bescheinigungen etc. eine angemessene Frist bestimmen.
Ergebnis: Der Mythos ist falsch. Eine gut vorbereitete Ausschreibung muss auch oberhalb der EU-Schwellenwerte keine Monate mehr dauern.
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