Sonntag, 25. Februar 2018

Mythen im Vergaberecht - Mythos 1: Am Ende gewinnt immer der Billigste.

Gemäß § 127 Abs. 1 GWB wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt und wird nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt. Es darf zwar auch weiterhin der Zuschlag allein nach dem günstigsten Preis vergeben werden, doch sollte sich dies auf die Fälle beschränken, bei denen es um die Ausschreibung von standardisierten Leistungen bzw. um Ausschreibungen geht, bei denen die zu beschaffende Leistung sehr detailliert beschrieben werden kann.

Zuschlagskriterium nur Preis




Die Qualität der zu liefernden Leistung wird dann einzig und allein über die Leistungsbeschreibung vorgegeben und letztendlich durch Ausschlusskriterien beschrieben und gesteuert. Die zu wertenden Angebote müssen alle Ausschlusskriterien erfüllen. Wird nur ein Ausschlusskriterium nicht erfüllt, führt dies zum zwingenden Ausschluss des betreffenden Angebots.

Den Zuschlag erhält das Angebot mit dem niedrigsten Angebotspreis.

Die Zuschlagsentscheidung nur nach dem Preis erfordert aber eine detaillierte Beschreibung des zu beschaffenden Gegenstands. Je weniger detailliert die Leistungsbeschreibung ist, umso stärker sind die zu erwartenden Qualitätsunterschiede der Angebote und umso weniger sind die Angebote sinnvoll vergleichbar. Am Ende besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber den Zuschlag auf ein qualitativ schlechtes Angebot erteilen muss.

Zuschlagsbewertung durch eine Kostenbetrachtung

Des Weiteren kann das wirtschaftlichste Angebot auch durch eine Kostenbetrachtung ermittelt werden. Diese Kostenbetrachtungen sind unter den Begriffen Lebenszykluskosten, Vollkostenbetrachtung, Total Cost of Ownership (TCO) bekannt.

Bei den Kostenbetrachtungen gewinnt dann nicht zwangsweise das billigste Angebot, sondern das Angebot, das unter Betrachtung aller anfallenden Folgekosten das kostengünstigste und damit wirtschaftlichste Angebot ist.


Im Gegensatz zur reinen Bewertung der Anschaffungskosten (Preisbewertung) können bei einer Kostenbetrachtung auch Folgekosten/Betriebskosten mitberücksichtigt werden.  Die Mindestanforderungen werden als Ausschlusskriterien formuliert. Die zu wertenden Angebote müssen alle Ausschlusskriterien erfüllen. Den Zuschlag erhält dann das Angebot mit den niedrigsten Gesamtkosten.

Aus Gründen der Transparenz müssen allerdings sowohl die Berechnungsmethode als auch die von den Bieterunternehmen für die Berechnung zu liefernden Informationen in der Auftragsbekanntmachung bzw. in den Vergabeunterlagen veröffentlicht werden. Die Möglichkeit Lebenszykluskosten bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zu verwenden ist nicht neu und wurde von der Rechtsprechung schon seit langer Zeit anerkannt.

Mit der Vergaberechtsreform neu hinzugekommen ist aber die Möglichkeit neben internen Kosten wie z.B. Betriebskosten und Wartungskosten nun auch externe Kosten durch Effekte auf die Umwelt berücksichtigen zu dürfen. Diese Kosten müssen sich aber finanziell bewerten  und überwachen lassen. Des Weiteren müssen diese Kostenmodelle in einer objektiven und nichtdiskriminierenden Weise im Voraus festgelegt und allen interessierten Parteien zugänglich gemacht werden


Zuschlag auf das beste Preis-Leistungs-Verhältnis
Das Preis-Leistungs-Verhältnis kann als die Angemessenheit eines Preises oder der Kosten im Vergleich zur Leistungsstärke des Angebots interpretiert werden und beantwortet die Frage, welches Mehr an Leistung welches Mehr an Preis rechtfertigt.

Um Qualität, Ästhetik und Nachhaltigkeit in einer Ausschreibung werten zu können, müssen diese Kriterien mit Punkten bewertet werden. Eine bessere Qualität, eine ästhetischere Gestaltung, eine nachhaltigere Produktion eines Produkts etc. kann dann mit einer höheren Punktzahl versehen werden.

Durch eine Bewertungsmatrix werden die verschiedenen Bewertungskriterien, deren Gewichtung und deren Benotung in einer strukturierten Form dargestellt. Die einzelnen Bewertungskriterien können dann je nach Erfüllungsgrad mit einer Punktzahl benotet werden. Die erreichte Punktzahl zu jedem Bewertungskriterium wird mit der Gewichtungspunktzahl des Kriteriums multipliziert. Die so für jedes Bewertungskriterium errechneten Leistungspunkte werden für jedes Angebot summiert und sind ein Maß für die Leistungsstärke eines Angebots.

Es stellt sich die Frage: In welchem Verhältnis müssen Preise/Kosten und Leistung stehen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen? Welches Mehr an Leistung rechtfertigt welchen höheren Preis? Soll neben dem Preis bzw. den Kosten auch die Leistung in Form von Leistungspunkten berücksichtigt werden, dann kann die Wirtschaftlichkeit nur über die Zuschlagsformel einer Bewertungsmethode ermittelt werden. Und auch hier muss der Auftraggeber im Vorfeld eine bewusste Entscheidung für eine Bewertungsmethode treffen.

Bewertungsklasse II


Bewertungsklasse IIIa

Bewertungsklasse IV



Ergebnis: Der Mythos ist falsch. Das Vergaberecht schreibt nicht vor, dass man nach dem Billigstbieterprinzip verfahren muss. Gesamtkostenbetrachtungen sowie Preis-Leistungs-Betrachtungen sind im Vergaberecht fest verankert und führen oft auch zum wirtschaftlicheren Angebot.

Für alle die mehr wissen wollen:



Buch Bewertungskriterien und -matrizen im Vergabeverfahren

Thomas Ferber
Bewertungskriterien und -matrizen im Vergabeverfahren
ISBN: 978-3-8462-0471-9
458 Seiten (Hardcover)
79,00 Euro (inkl. MwSt)
Bundesanzeiger Verlag



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