Das Erfordernis der Kennzeichnung dient der Gewährleistung der Authentizität der Angebote und ist unabdingbare Grundvoraussetzung zur Sicherung eines transparenten und damit fairen Wettbewerbs (-> VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.01.2009, 1 VK LVwA 29 / 08). In diesem Sinne sollte man überlegen, welche Angebotsbestandteile essentiell für das Angebot sind und damit auch zu kennzeichnen sind.
Die Kommentierung und auch die Rechtsprechung gehen von allen wesentlichen Erklärungen, die für den zu schließenden Vertrag von Bedeutung sind aus. Im Zweifel sollte man dies eher etwas weiter als zu eng fassen. Auf jeden Fall müssen zwingend gekennzeichnet sein:
- Preiserklärungen/-formulare
- Angebotsformblatt
- alle sonstigen Erklärungen, die gemäß den Ausschreibungsunterlagen abzugeben waren
- Nebenangebote
- Urkalkulation im verschlossenen Umschlag
- Blätter/Formulare mit Unterschriften
Haug/Panzer in: jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl. 2013, § 14 VOB/A 2012, Rn. 27: "Alle Erklärungen, die für den durchzuführenden Vertrag von maßgeblicher Bedeutung sind – insbesondere das unterzeichnete Angebotsformblatt – sind in die Kennzeichnung einzubeziehen."
Weyand, Vergaberecht, 15. Aktualisierung 2014, Stand: 15.10.2014, § 14 VOB/A, Rn. 33: "§ 14 Abs. 3 VOB/A verlangt die Kennzeichnung der Angebote in allen wesentlichen Teilen einschließlich der Anlagen. Die Beschränkung auf "wesentliche Teile" bezieht sich auf alle Seiten, die später für den Vertragsinhalt von Bedeutung sind, d. h. vor allem der Preisangaben und alle sonstigen Erklärungen, die gemäß der Ausschreibung abzugeben waren [...]"
Ulf Christiani in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 1. Auflage 2011 § 14 VOB/A, Rn. 35ff.: "Die Pflicht zur Kennzeichnung der Angebote erstreckt sich auf alle wesentlichen Angebotsteile. Hieraus geht zunächst hervor, dass nicht das gesamte Angebot gekennzeichnet werden muss. Wesentliche Teile sind alle Bestandteile des Angebots, die für den Vertragsinhalt von Bedeutung sind. Hierzu zählen insb. alle Seiten, die Preis- oder sonstige Angaben der Bieter enthalten."
VK Sachsen, Beschluss vom 24.02.2005, 1 / SVK / 004 - 05: "[...] VOL/A verlangt die Kennzeichnung in allen wesentlichen Teilen einschließlich der Anlagen. Dabei bezieht sich die Beschränkung auf „wesentliche Teile“ auf alle Seiten, die später für den Vertragsinhalt von Bedeutung sind, d.h. vor allem der Preis und alle sonstigen Erklärungen, die nach der Ausschreibung abzugeben waren. Die Kennzeichnung erfolgt üblicherweise durch Datierung und Lochung. Sie soll verhindern, dass nachträglich einzelne Bestandteile der Angebote ausgetauscht oder entfernt und damit die Angebote manipuliert werden [...] "
VK Sachsen, Beschluss vom 10.04.2014, 1 / SVK / 007 - 14: "Nach § 14 EG Absatz 3 Nr. 2 Satz 2 VOB/A sind die Angebote in allen wesentlichen Teilen im Eröffnungstermin zu kennzeichnen. Damit sind alle wesentlichen Angebotsbestandteile, die zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen, entweder einheitlich zu kennzeichnen oder aber durch eine Siegelung zu verbinden, um einen nachträglichen versehentlichen oder bewussten Austausch einzelner Bestandteile des Angebots oder deren Entfernung zu verhindern. Nebenangebote sind wesentliche Angebotsbestandteile."
VK Sachsen, Beschluss vom 10.04.2014, 1 / SVK / 007 - 14: "Dabei versteht die Vergabekammer Nebenangebote als wesentlichen Angebotsbestandteil, auch wenn dies dem Gesetzestext nicht explizit zu entnehmen ist. Dies begründet sich vorrangig damit, dass Nebenangebote insbesondere dann, wenn es, wie vorliegend entscheidend auf den Preis ankommt, wettbewerbsentscheidend sein können. "
OLG Naumburg, Beschluss vom 31.03.2008, 1 Verg 1 / 08: "Verlangt die Vergabestelle innerhalb der Angebotsfrist die Vorlage einer Urkalkulation im verschlossenen Umschlag, so gehört dieser Umschlag zu den „wesentlichen Teilen einschließlich der Anlagen“ des Angebots i.S. von § 22 Nr. 3 lit. b) Satz 2 VOL/A und unterliegt der Kennzeichnungspflicht."
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.01.2009, 1 VK LVwA 29 / 08: "Allgemein anerkannt ist in diesem Zusammenhang, dass zu den wesentlichen Bestandteilen eines Angebotes u. a. die Blätter gehören, die die Preise und die geforderten Erklärungen sowie die Unterschrift, enthalten. Die Kennzeichnung hat sofort im Rahmen der Eröffnungsverhandlung und nicht im Nachhinein zu erfolgen. Abgesehen davon, dass Letzteres zu Manipulationsvorwürfen von Seiten der Bieter führen könnte, geht schon aus der in Nr. 3b) Satz 2 aufgezeigten Reihenfolge der vorzunehmenden Handlungen (Öffnung, Kennzeichnung, Fertigung einer Niederschrift über die Öffnung) eindeutig hervor, dass die Kennzeichnung mit zur Eröffnungsverhandlung gehört. Dem Verhandlungsleiter kommt keine Befugnis zu, wesentliche Angebotsbestandteile nicht zu kennzeichnen. Er tut daher gut daran, möglichst sämtliche Bieterunterlagen durch Kennzeichnung zu individualisieren."
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